Paragraph 6 VVG
Der Paragraph 6 VVG (Versicherungsvertragsgesetzes), beschreibt die Pflicht der Beratung des Versicherungskunden durch das Versicherungsunternehmen. Der Vorteil für den Kunden ist, dass hier genau erläutert wird, wie, wann und in welchem Umfang die Beratung, vor und nach Vertragsabschluss zu erbringen ist. Die Kunde erhalten eine protokollierte Aufstellung, so dass diese jederzeit wissen, was genau besprochen wurde.
Diesen Paragraphen gibt es erstmals seit der Neufassung des VVG. Im Januar 2008 trat es in Kraft. Für bereits zuvor abgeschlossene Versicherungsverträge galt es ab dem 01.01.2009. So mancher Paragraph wurde umbenannt und bekam ein neues Kleid. Andere wurden erstmalig im neuen Versicherungsvertragsgesetz formuliert. Hierzu zählt auch der Paragraph 6 VVG mit dem Titel „Beratung des Versicherungsnehmers“.
§ 6 VVG Beratung des Versicherungsnehmers
(1) 1Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben.
²Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.
(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.
(3) 1Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. ²Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.
(4) 1Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. ²Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.
(5) 1Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. ²Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.
Vorteile für Versicherungskunden und Vermittler
Die Beratung des Versicherungsnehmers ist seit der Neufassung Teil des VVG und damit ist den Versicherungsunternehmen ein Handlungskorridor vorgegeben. Diesen ist sowohl vor, als auch nach Vertragsabschluss zu befolgen. Damit dürfte jedem Versicherer klar sein, dass das Versenden von Unterlagen allein diesem Anspruch keinesfalls genügen kann. Versicherungskunden haben einen Anspruch auf eine qualifizierte Beratung. Die, basierend auf Wünschen und Bedarf, eine Handlungsempfehlung ergibt, die durch Dokumentation jederzeit auf Richtigkeit und Plausibilität überprüfbar ist.
Durch eine sorgfältige Dokumentation des Beratungs- und Abschlussvorgangs ist jederzeit der Inhalt des Gesprächs nachzuvollziehen. Sind alle relevanten Informationen erteilt und neben den Vorteilen auch mögliche Risiken oder eventuelle Nachteile dargestellt? Die Beratungsdokumentation dient dem Schutz von Kunden und Vermittler gleichermaßen.
Aber nicht nur in Paragraph 6 VVG wird auf die Beratung und Dokumentation eingegangen. Auch in Paragraph 61 VVG werden die Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers geregelt.
Wenn die Dokumentation unvollständig ist oder fehlt
Sollte die Beratung nicht vollständig dokumentiert sein und wichtige Gesprächsinhalte fehlen, dann wird die Beweisführung im Falle eines Konfliktes schwierig. In der Regel liegt die Beweislast beim Versicherungskunden, wenn er sich schlecht oder falsch beraten fühlt. Aufgrund der Beweislastverteilung ist auch der Vermittler oder der Versicherer nicht völlig freigestellt. Es geht um Beweis und Gegenbeweis.
Eine mangelhafte Beratungsdokumentation führt zu einer Beweislastumkehr. Das stellte das Oberlandesgerichts Frankfurt (Az: 12 U 146/12 vom 30.01.2014) fest und hat zur Folge, dass jetzt der Vermittler den Inhalt des Beratungsgesprächs nachweisen muss und bei einer unvollständigen oder sogar fehlenden Dokumentation ist das nur schwer möglich.
In einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.11.2014 (Az. III ZR 544/13) wurde folgendes festgestellt:
„[…] Die Nichtbeachtung der Dokumentationspflicht des Versicherungsvermittlers nach § 61 Abs. 1 Satz 2, § 62 VVG kann zu Beweiserleichterungen zugunsten des Versicherungsnehmers bis hin zu einer Beweislastumkehr führen. Ist ein erforderlicher Hinweis von wesentlicher Bedeutung nicht, auch nicht im Ansatz, dokumentiert worden, so muss grundsätzlich der Versicherungsvermittler beweisen, dass dieser Hinweis erteilt worden ist.“
Falls es zu Schadenersatzansprüchen kommt
Sollte es im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrages und der erfolgten Beratung zu Konflikten kommen, muss man als Versicherungskunde vielleicht Schadenersatzansprüche geltend machen. In diesem Fall ist es wichtig zu wissen, an welche Adresse der Vorwurf des Beratungsfehlers zu richten ist.
| Beratung und Abschluss erfolgte durch | Schadenersatzansprüche sind zu richten an |
| Versicherungsunternehmen (z. B. Direktversicherer) | Versicherer |
| Versicherungsvertreter (Ausschließlichkeitsorganisation, Generalagent, Hauptvertreter) – Zulassung gem. § 34d Absatz 1 Nr. 1 GewO | Versicherer |
| Mehrfachagent (Versicherungsvertrieb, Mehrfachagentur) – Zulassung gem. § 34d Absatz 1 Nr. 1 GewO | Versicherer, bei dem der Vertrag abgeschlossen wurde |
| Versicherungsmakler – Zulassung gem. § 34d Absatz 1 Nr. 2 GewO | Versicherungsmakler, Deckung durch Vermögensschadenhaft-pflicht |
| Versicherungsberater – Zulassung gem. § 34d Absatz 2 GewO | Versicherungsberater, Deckung durch Vermögensschadenhaft-pflicht |
